Als Vorbereitung auf die Exkursion hatte die Gruppe im Sommersemester 2022 an einem Seminar teilgenommen, welches die Exkursionsleiterinnen gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Claudia König vorbereitet und durchgeführt haben. Hier wurde eine Einführung in die Wechselbeziehung zwischen globalen Kunstausstellungen und lokalen Kunstpraktiken in Indonesien seit den 1990er Jahren gegeben, wobei der Fokus auf interdisziplinären, partizipatorischen und sozial engagierten Kunstpraktiken Indonesiens lag. Im Zuge dessen wurde ein Überblick über die zeitgenössische Kunst Südostasiens im globalen Kontext gegeben und die vielfältigen Formen der Kunstausübung in Bezug auf den jeweiligen regionalen und historischen Kontext analysiert. Im Rahmen des Seminars haben die Teilnehmenden ihre Projektideen entwickelt, diese im Rahmen eines Panel Talks vorgestellt und diskutiert und anschließend während der Exkursion implementiert.
Der erste Teil der Exkursion fand vom 21.-25.08.2022 in Kassel statt. Bei einem mehrtägigen documenta15-Besuch lag der Fokus auf kollektiver und sozial engagierter Kunstpraxis. Im Rahmen dessen haben die Studierenden nicht nur die größte Kunstausstellung für kontemporäre Art besucht, sondern sich ebenso persönlich in dieser eingebracht. Dabei sind sie in den Austausch mit Künstler*innen, Kollektiven, documenta Besucher*innen und der lokalen Bevölkerung in Kontakt getreten und haben ihre Projekte im Rahmen dessen kollaborativ ausgearbeitet. Zudem haben sie unter den Exkursionsleiterinnen die Flaggenperformance der indonesischen Performance Künstlerin Arahmaiani Feisal einstudiert, in Kassel´s Stadtzentrum (Königsplatz) aufgeführt sowie an verschiedenen Treffen mit Kunstkollektiven, wie Ruangrupa und Vertreter*innen, wie Muhammad Ilham Samudra (Jatiwangi art Factory), teilgenommen. Unter der Leitung von Prof. Amanda Rath und Dr. Patrick Keilbart fanden des Weiteren verschiedene Treffen zwischen Studierenden der Goethe-Universität Frankfurt und der Exkursionsgruppe statt, welche die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Lehrstühlen mit dem Fokus auf Südostasienstudien intensivierten.
In Witzenhausen besuchte die Gruppe das Kolonialarchiv des Deutschen Instituts für Tropische und Subtropische Landwirtschaft (DITSL), ehemalige "Deutsche Kolonialschule für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe GmbH", das Völkerkundemuseum sowie das Tropenhaus und erfuhr, wie die Einrichtungen ihre kolonialen Vergangenheiten adressieren und aufarbeiten. Im Rahmen dessen hat Ina Voshage (Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeitern Professur für Regionale Geographie, Uni Passau) den Studierenden wertvolle Einblicke zu (Post-)kolonialismus vermittelt und Fragen zu der Thematik eröffnet, welche im öffentlichen Raum nur wenig adressiert und analysiert werden. Diese wurden während einer Führung durch das Tropengewächshaus intensiviert. Hier erkundeten die Studierenden beispielsweise, wie Pflanzen mit der Kolonialgeschichte verwoben sind und welcher Bedeutung post-kolonialer Wissensproduktion auch heute noch zukommt. Darüber hinaus fand ein Tagesausflug nach Göttingen statt, um auch hier documenta-Kunstwerke zu besichtigen und an einem postkolonialen Rundgang teilzunehmen.
Die Themen der studentischen Projekte sind sehr vielfältig ausgerichtet und behandeln zum Beispiel die Verflechtung von Kunst und Politik, Fremd- und Selbstwahrnehmung der internationalen Künstler*innen, die Dekolonialisierung der Musikindustrie, sowie die Bedeutung von Kunstkollektiven und „interkulturelle“ Symbolik. Mithilfe der Dozentinnen, der Künstler*innen und Kassel´s Lokalbevölkerung sammelten die Studierenden Materialien, führten Interviews durch und nahmen an verschiedenen Kunstprojekten teil, welche sie anschließend in ihren Exkursionsberichten auswerteten. Zudem werden die Studierenden ihre erarbeiteten Kunstprojekte im Wintersemester 2022/2023 in Form von Fotos, Videos und Zeichnungen an der Universität Passau ausstellen und dabei Einblicke in die Arbeit eines „Kuratoriums“ gewinnen.
Die Exkursion 2022 war ein großer Erfolg für alle Beteiligten. Die Studierenden lernten und praktizierten diverse Konzepte der indonesischen Kultur, wie Lumbung, gotong royong und nongkrong. Zudem erweiterten sie ihr Fachwissen hinsichtlich kontemporärer Kunst und der Bedeutung des Globalen Südens und beschäftigen sich mit (Post-)kolonialismus, der bis heute tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist und uns allen auf verschiedensten Ebenen – sozial, politisch, ökologisch – begegnet.
[Bericht von Charlotte Mei Yee Chin und Kartika Wulang]