Anne Martin
Promotionsprojekt: " Das Vorsorgeprinzip und seine Kritik - Untersuchung ihres moraltheoretischen und gesellschaftskritischen Gehalts ."
Wissenschaftlicher Fortschritt, neue Technologien sowie zunehmender Globalisierungstendenzen verändern Radius, Wirkungsgrad, Komplexität und die Absehbarkeit von Handlungsfolgen, sowie die damit einhergehende Verantwortlichkeit und Entscheidungsgrundlage von Nationalstaaten und der Weltgemeinschaft hinsichtlich der Fragen von (intergenerationalem) Umweltschutz und Public Health.
Das Vorsorgeprinzip dient als Formel für einen umweltpolitischen Umgang mit Regulierungsfragen unter wissenschaftlicher Unsicherheit und normativer Ambiguität. In verschiedenen Ausformulierungen besagt es im Kern, dass ein epistemisch-szientistisches Defizit bei der Einschätzung einer für die Umwelt bedrohlichen Situation, keinen Grund darstellt, dennoch (Gegen)Maßnahmen auf Basis dieser vorläufigen oder ungenauen Daten- und Erkenntnislage zu ergreifen, im Sinne einer Haltung von 'better safe than sorry'.
Angewandt als umweltpolitisches Instrument sieht sich das Prinzip vielseitiger Kritik hinsichtlich seiner Regulierungsfähigkeit ausgesetzt, welche den Ausgangspunkt meiner Arbeit darstellen soll. Mein Interesse liegt bei einer Analyse und philosophische Einordnung der verschiedenen Einwände gegen das Prinzip und möchte versuchen es auf seinen diskursethischen Gehalt zu befragen, um es mit einer möglichen diskursethischen Interpretation gegen Einwände zu verteidigen und sein gesellschaftskritisches Potential umfassender darzustellen.
Durch die Besonderheit der Anwendung des Vorsorgeprinzips bei Fragen der Umweltpolitik und öffentlichen Gesundheit und die daraus resultierende gesamtgesellschaftliche Legitimationsnotwendigkeit beim Ergreifen von vorsorgenden Maßnahmen, so die Hypothese, ist eine Auswirkung der Diskussion des Vorsorgeprinzips hin zu Fragen der Bildungspolitik und damit demokratischer Partizipationsmöglichkeiten, sowie auf sozioökonomische Fragen der Wohlstandsallokation impliziert und notwendig. In solch einer ausgeweiteten Diskussion mit diskursethischer Einbettung vermeidet man Status quo präferierende naturalistische Fehlschlüsse und vermag es, die verfahrensethische Bedeutung des Vorsorgeprinzips im demokratisch legitimierten Suchen von Alternativen zu sehen.
Anne Martin studierte ab 2004 Philosophie, Kulturwissenschaft und Anglistik an der Universität Leipzig. Das Thema ihrer Magisterarbeit lautet "Grenzen und Möglichkeiten antiessentialistischer Moraltheorie". Seit 2013 studierte sie Gymnasiales Lehramt mit den Fächern Philosophie, Englisch, Kunst und Deutsch als Fremdsprache an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Seit März 2018 promoviert sie am Lehrstuhl für Praktische Philosophie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und ist Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks Villigst im Promotionsschwerpunkt "Dimensionen der Sorge".
Qualitative Sozialforschung; Wissenssoziologie; Akteur-Netzwer-Theorie; Historische Soziologie; Identitätskonstruktionen; Legitimationstheorie; Phänomenologie