Jana John
Promotionsprojekt: Würdearbeit im Pflegeheim. Eine soziologische Ethnographie.
Jana John studierte Lehramt für Grundschulen, woran ein Zweites Staatsexamen und Erziehungswissenschaftliches Masterstudium (M.ed.) an der Universität Passau anschlossen. In diesem Rahmen setzte sie sich zunehmend mit gesellschaftlichen Konstruktionsprozessen von Identität(en) und von Würde und Entwürdigung auseinander. Von 2019-2022 war sie Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks. Seither ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie mit Schwerpunkt Techniksoziologie und nachhaltige Entwicklung in Passau tätig.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ thront Artikel 1 des Grundgesetzes als verfassungsleitendes Prinzip; das ein „Nie wieder“ zugleich anmahnt und verspricht. Diese Arbeit setzt am beobachteten Spannungsfeld zwischen normativen Anforderungen einer würdegeleiteten Kultur und empirischen Befunden von Würdeverletzungen an und führt über eine ethnografische Untersuchung in einem vollstationären Pflegeheim direkt zu einem Schauplatz alltäglicher Würdearbeit: In den Spannungsfeldern zwischen herausfordernden Arbeitsbedingungen der Pflegenden einerseits und herausfordernd bis existenziellen Lebenssituationen der Bewohnenden andererseits, dem organisationalen Rahmen und lebensweltlichen Anspruch, einer Spannbreite des zur Verfügung stehenden Ausdrucksrepertoirs bis hin zu Grenzen der Kommunikation, zwischen Leben und Sterben, wird im Sinne eines „What’s going on here?“ in einer ethnografischen Untersuchung danach gefragt, wie Würde im Interaktionsprozess zwischen Personal und Pflegeheimbewohnenden verhandelt wird.
Es wird sich zeigen, dass an den Grenzen der Kommunikation und der Darstellbarkeit eines Selbst als Person kreative Interaktionsformen und damit Wege der Würdekommunikation entstehen, die sich emotionaler, körperlicher und materialer Kommunikationskanäle bedienen. Je eingeschränkter eine Person in ihrer Selbstständnigkeit, desto mehr ist eine Person auf taktvolle Zuarbeit in der Selbstdarstellung angewiesen. Interaktionspartner sind dann als Würdehelfer gefragt. In den situativen Verhandlungen von Würde zeigen sich Grade von Würde, die durch Würdehelfende hergestellt werden: Diese hängen maßgeblich von den taktvollen Fähigkeiten der Bewohnenden ab, das Personal ‚in ihren Bann‘ zu ziehen. In dieser geöffneten interaktionistischen Perspektive wird Würde als Beziehungsgeschehen deutlich, und es zeigt sich, dass sich die Situation der Würdehilfe auch umkehren kann bzw. dass Bewohnende auch Würdearbeit für das Personal leisten. Grenzverletzungen in diesem taktvollen Spiel bedeuten Würdeverletzungen für beide Seiten.