Isabelle Bosbach
Promotionsprojekt: "Biologie und Zeit als Gegenstand kryotechnologischer (Vor-)Sorge – Von der Pausierung bio-chemischer Prozesse zur Entzeitlichung der Biologie?"
Die Möglichkeit durch kryotechnologische Verfahren bio-chemische Prozesse zu stoppen und in der Zukunft dem Leben dienbar zu machen, nimmt nicht nur auf vielfältige medizinische Anwendungen Einfluss. Denn mit der kryotechnologischen Aufbewahrung biologischen Materials geht ein spezifisches Verständnis des biologischen Lebens einher, das Leben – mit den geeigneten Verfahren – als potentiell pausier- und wieder fortsetzbar bestimmt – und so eine neue Form des planenden Umgangs mit biologischem Material und damit des Lebens in Aussicht stellt. Das ,Stoppen‘ bio-chemischer Prozesse kann so als Versuch der kältetechnologischen Intervention in die Lebensgestaltung gedeutet werden, für die eine, den menschlichen Körper bzw. das Leben in Zellen, Gewebe und bio-chemische Prozesse fragmentierende Perspektive grundlegend ist.
Ziel des Dissertationsvorhabens ist es, die sich hier andeutende kryotechnologisch ermöglichte Veränderung des Verhältnisses von Gegenwart und Zukunft durch das vorsorgende ,Anlegen‘ von biologischem Material für eine mögliche, aber ungewisse Zukunft und den mit derartigen Verfahren einhergehenden gesellschaftlichen Implikationen zu untersuchen. Gefragt wird 1. welche (neuen) Formen und Gegenstände von, durch kryobiologische Erkenntnisfabrikation initiierter, (Vor-)Sorgeoptionen entstehen, 2. wie derartige (vor)sorgende Zukunftsbezüge sowohl hinsichtlich der Antizipation der Risiken als auch ihrer (vermeintlich) vorsorgenden Lösungen zu charakterisieren sind und 3. worauf sie in gesellschaftlicher Hinsicht verweisen. Im Zuge dessen gilt es auch zu fragen, ob und inwieweit derartige Verfahren auf Veränderungen gesellschaftlicher Zeitverhältnisse hinweisen oder diese bedingen. Um dabei den Bezug zwischen Gegenwart und antizipierter Zukunft zu fokussieren, wird eine sozialtheoretische Fundierung durch das Konzept der Sorge gewählt. Im Zentrum steht also das Verhältnis spezifischer Formen der Sorge um einen zukünftig potentiell gefährdeten biologischen Körper und der kryotechnologischen auf den Körper bezogenen biologisch-technischen Vorsorge in der Gegenwart und den damit verbundenen Vorstellungen von Zeit, Leben und Körper.
Isabelle Bosbach ist seit Februar 2020 Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks e.V. Villigst im Promotionsschwerpunkt Dimensionen der Sorge. Seit Oktober 2019 promoviert sie am Lehrstuhl für Sozialwissenschaftliche Theorie an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg und ist seit November 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ev. Hochschule RWL beschäftigt. Zuvor studierte sie Soziale Arbeit (B.A.) und Sozialwissenschaftliche Innovationsforschung (M.A.) und beschäftigte sich in diesem Rahmen vor allem mit wissenssoziologischer Theorie und Forschung.
Bosbach, Isabelle (2020). Social Freezing – Über die Biologisierung von Risiken, die kältetechn(olog)ische Pausierung von Zeit und die Konservierung von Optionen. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 21(2), Art. 21, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-21.2.3510.