Tagungsprogramm "Körper - Wissen - Tod"
Sozialwissenschaftliche Zugänge zwischen Lebenswelt und Transzendenz
Sozialwissenschaftliche Fachtagung an der Universität Passau
in Zusammenarbeit mit der Sektion ›Wissenssoziologie‹ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Sterben, Tod und Trauer scheinen in der gegenwärtigen soziologischen Debatte keine vordergründigen Themen zu sein; tatsächlich jedoch haben sich bereits die Gründerväter der Disziplin (Weber, Durkheim, in geringerem Maße auch Simmel) mit dem Lebensende und seinen gesellschaftlichen Implikationen befasst.
Später wurden diese Arbeiten punktuell fortgesetzt; hier ist insbesondere das Interesse von wissenssoziologisch orientierten SoziologInnen auffallend (Schütz, Scheler, Elias, Luhmann, Lindemann, Knoblauch u.a.). Schon Berger und Luckmann sprechen von der »Grenzsituation per excellence«, welche die »Gewißheit der Wirklichkeit des Alltagslebens« bedrohe. Das wissenssoziologische Interesse am Lebensende ist nicht überraschend, denn Sterben, Tod und Trauer sind keineswegs substanzielle ›Leiberfahrungen‹ bzw. anthropologisch vordefinierte Verhaltensmechanismen. Tatsächlich handelt es sich um Praktiken, die, durchaus körperspezifisch, über Sozialisationserfahrungen als bloß vermeintliche ›Natur des Menschen‹ verinnerlicht werden. Mithin ist das Ende des Lebens weit mehr als ein biologisch-reduktionistisch interpretiertes Ende der Funktionstüchtigkeit des menschlichen Körpers. Der Tod und seine Prozesse spielen sich eben nicht unabhängig von Aushandlungen und Sinnsetzungen ab.
Beispielsweise lässt sich plausibel rekonstruieren, dass Todesfeststellungsverfahren – eine Leistung der Expertenwissenskultur Medizin – überhaupt erst zu einem Verständnis dazu führen, was das Leben vom Tod trennt. Foucault hat diesen Zusammenhang als eine Art Verschiebungsphänomen gewürdigt: »Der Tod ist eine schmale Linie«, die je nach Situation oder kultureller Rahmung in die eine oder in die andere Richtung verlagert werden kann. Untersuchungen etwa zur sozialen Konstruktion des Hirntodes bzw. zur Grenzziehung des Sozialen am Beispiel ›unsicherer‹ Körperzustände konnten seither unterstreichen, dass die Frage, wie lebendig bzw. wie tot jemand ist, eine wissensabhängige Entscheidung ist – und nicht ein selbsterklärendes Faktum.
Die Tagung will soziologische Perspektiven auf Sterben und Tod insgesamt werfen und dabei vor allem den Übergangsbereich zwischen einer körperfixierten und einer beinahe schon ›körpertranszendenten‹ Umgangsweise mit dem Tod (wie etwa durch die Thematisierung in Internet-Trauerforen, durch Online-Friedhöfe und alternative Memorialpraktiken usw.) ausloten. Ansätze der Wissenssoziologie sollen als Leitfaden fungieren, um theoretische wie empirische Forschung einem interessierten Publikum vorzustellen. Willkommen sind in diesem Sinne auch Beiträge aus medizin-, religions- und kultursoziologischer Perspektive, die sich mit dem Verhältnis von Körper, Wissen und Tod befassen.
Tagungsort: ITZ/International House, Innstr. 43
FREITAG, 25. MAI
14:00 – 14:05 Begrüßung
14:05 – 14:45 Thorsten Benkel (Passau)
DIE WEGGEFÜRCHTETE IDEE. Frühe und späte
Ansätze zu einer Wissenssoziologie des Todes
14:45 – 15:30 Werner Schneider (Augsburg)
WISSEN UND PRAXIS DES ›STERBEN-MACHENS‹.
Eine dispositivanalytische Perspektive auf das Lebensende
15:30 – 15:45 Pause
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15:45 – 17:15 Panel 1
15:45 – 16:15 Matthias Meitzler (Passau)
»…ein Problem der Lebenden«. Zur empirischen
Aktualität von Norbert Elias‘ Todesperspektive
16:15 – 16:45 Zsofia Schnelbach (Passau)
Die Symbolkraft des kindlichen Körpers bei stiller Geburt
16:45 – 17:15 Patrick Reitinger (Bamberg)
Verräumlichung von Körperlichkeiten. Zur
Territorialisierung von Leben und Tod
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17:15 – 17:30 Pause
17:30 – 18:15 Hubert Knoblauch (Berlin)
TRANSMORTALITÄT. Organspende, Tod und tote Körper
in der heutigen Gesellschaft
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SAMSTAG, 26. MAI
10:00 – 12:00 Panel 2
10:00 – 10:30 Ulrike Wohler (Hannover)
»Aufforderung zum Tanze«. Sterben und Tod zwischen sinnlicher
Erfahrung, medizinischer Versorgung und Todestabu
10:30 – 11:00 Ursula Engelfried-Rave (Koblenz)
Trauer-Tattoos. Transzendenzen auf der Haut?
11:00 – 11:30 Ekkehard Knopke (Weimar)
Zur kommunikativen Konstruktion von Geschlecht im
professionellen Umgang mit den Toten
11:30 – 12:00 Katharina Mayr/Niklas Barth (München)
Kranke Körper, sprechende Personen. Bewusstes Sterben in der
multiprofessionellen Sterbebegleitung
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10:00 – 12:00 Panel 3
10:00 – 10:30 Lea Lehner (Passau)
Suizid, Habitus und Feld. Der Selbstmord bei Bourdieu
10:30 – 11:00 Miriam Sitter (Hildesheim)
»Manche Menschen glauben, dass sie dort als Engel bei Gott sind«.
Himmlische Imaginationen für trauernde Kinder als tröstliche
Verbindung zu ihren Verstorbenen
11:00 – 11:30 Isabelle Bosbach (Bochum)
Kryonik – Leben über den Tod hinaus?
11:30 – 12:00 Melanie Pierburg (Hildesheim)
Sterben spielen. Sterbekonstruktionen im Vermittlungskontext
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12:00 – 12:30 Pause
12:30 – 13:15 Patrik Budenz (Berlin)
DER TOD IM BILD. Ein fotografischer Blick
13:15 – 14:00 Ronald Hitzler (Dortmund)
EMPFINDUNGEN UND KUNDGABEN VON TRAUER.
Zur Sinnwelt des Lebens nach dem Tod
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