Rituale der Transformation
Tagungsprogramm
Sozialwissenschaftliche Fachtagung an der Universität Passau, 5./6. Juli 2019
Der Umgang mit dem Lebensende wird von jeher von Ritualen begleitet. Zu den Charakteristika entsprechender symbolischer Handlungen gehört, dass sie – bald subtil und bald abrupt – Wandlungsprozessen unterliegen. Die damit verbundenen Transformationsvorgänge lassen sich anhand des Wandels der Bestattungs- und insbesondere der Friedhofskultur plausibel nachzeichnen.
Während die Verwandlung der Ritualformen einerseits Herausforderungen birgt, stecken darin andererseits Chancen. Mag auch der Nicht-mehr-Leben endgültig sein – der kulturelle Status quo von Sterben, Tod und Trauer ist es nicht. Dies zu realisieren, ist sowohl eine Aufgabe für ExpertInnen in den damit verbundenen Berufsbranchen, wie auch für wissenschaftliche Beobachter.
Früher war der Tote eine Leiche; heute ist er ein Individuum. Früher war der Bestatter ein Dienstleister; ist er heute ein Erfüllungsgehilfe, oder ein Ritualdesigner? Früher war der kirchliche Beistand im Todesfall obligatorisch; heute ist er eine unverbindliche Option. Weitere Ausdifferenzierungen lassen sich leicht finden, Erweiterungen sind zu erwarten, beispielsweise durch das Internet, dessen Einfluss auf die Sepulkralkultur kaum zu überschätzen sein dürfte. Die kommenden Trauernden sind digital natives. Für sie sind visuelle Referenzen auf die Verstorbenen keiner spezifischen Gedenksituation geschuldet, sondern ohnehin Alltagsgeschäft. Vergänglichkeit ist für diese Generation eine Frage des Speicherplatzes.
Vor dem Hintergrund umfangreicher empirischer Studien an der Universität Passau zum Verhältnis von Tod und Gesellschaft, verfolgt die Tagung das Ziel, wissenschaftliche als auch praxisorientierte Perspektiven zusammenzubringen, um zu diskutieren, welche gegenwärtigen Trends an Boden gewinnen und welche zukünftigen Herausforderungen sich bereits abzeichnen. Um die Breite des Spektrums an akuten Entwicklungen abzubilden, dürfen der Ritual- und der Todesaspekt gerne auch im weiteren Sinne thematisiert werden, z.B. im Hinblick auf medizinische oder religiöse Implikationen.
FREITAG, 5. Juli
14:00 – 14:05 Christian Thies (Passau)
Grußwort
14:05 – 14:30 Thorsten Benkel (Passau)
Ritualismen. Die performative Verwaltung von
Umbrüchen in der Sozialstruktur
14:30 – 15:00 Matthias Meitzler (Passau)
Von heißen Kulturen und kalten Körpern.
Temperatursoziologische Überlegungen
15:15 – 17:15 Panel 1
15:15 – 15:45 Michaela Thönnes (Zürich)
»Give me a gun – I‘ll shoot this rabbit.« Wie strukturelle
Bedingungen dem Personal nur einen subtilen Wandel
ihrer Kultur zur Individualisierung des Sterbens
erlauben
15:45 – 16:15 Niklas Barth ● Katharina Mayr ● Andreas Walker
(München)
Organisierte Rituale – Ritualisierte Reflexion. Zur
Abschiedskultur auf Palliativstationen und in Hospizen
16:15 – 16:45 Ursula Engelfried-Rave (Koblenz)
Trauerbegleitung am Arbeitsplatz – eine Heraus-
forderung für Organisationen
16:45 – 17:15 Nico Wettmann (Gießen)
»Da sind auch Rituale wichtig.« Zur Transformations-
arbeit von Hebammen bei pränatalen Verlusten
17:15 – 17:30 Pause
17:30 – 18:00 Thomas Klie (Rostock)
»Er ist das Funkeln von ihr«. Eine Fallanalyse zur
Diamantpressung
SAMSTAG, 6. Juli
10:00 – 10:30 Leonie Schmickler (Passau)
An den Grenzen der Selbstbestimmung.
Diskurse über Sterbehilfe
10:30 – 12:30 Panel 2
10:30 – 11:00 Frank Thieme ● Susanne Stachowitz (Bochum)
Die Kluft. Zur Polarisierung der Bestattungs-
kultur
11:00 – 11:30 Constanze Petrow (Geisenheim)
Jede_r bleibt für sich allein? Friedhöfe als
Kommunikations- und Alltagsorte
11:30 – 12:00 Dorothea Mladenova (Leipzig)
Das optimierte Ableben und die Airbnb-isierung des
Bestattungswesens. Aktuelle Entwicklungen in Japan
12:00 – 12:30 Ekkehard Knopke (Weimar)
Über Bestattungsmessen – oder: Die Eventisierung
des Bestattens
12:30 – 13:00 Pause
13:00 – 13:30 Thorsten Benkel ● Matthias Meitzler
Streifzüge durch das thanatologische Unterholz
Hier geht's zum Tagungsbericht.