Wissenskulturen des Todes
Zur Aktualität der Thanatosoziologie
Tagung des Arbeitskreises »Thanatologie« der DGS-Sektion »Wissenssoziologie«
Technische Universität Berlin, 24./25. März 2022 (online)
Die Thanatosoziologie widmet sich dem Verstehen und Erklären des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Lebensende. Durch ihre Verortung an der Schnittstelle unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Subdisziplinen erfasst sie somit auch die übergeordneten Wissenskulturen des Todes. Im Zuge entsprechender Analysearbeit kristallisiert sich heraus, dass der Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu den elementaren Formen des gesellschaftlichen Lebens gehört – und dass dieser Umgang überwiegend aus sozial tradierten, sich permanent im Wandel befindlichen Wissensbeständen hervorgeht.
Die Tagung »Wissenskulturen des Todes. Zur Aktualität der Thanatosoziologie« soll Impulse zur (Neu-)Bewertung und (Neu-)Ausrichtung der deutschsprachigen Thanatosoziologie liefern. Sie wird organisiert vom 2020 institutionalisierten Arbeitskreis »Thanatologie«. Konkret werden drei wissenschaftliche Zielsetzungen verfolgt:
(1) Die Evaluation der diskursiven Dynamiken innerhalb der Thanatosoziologie. Dabei soll der Fokus auf die vergangenen Entwicklungen und den State of the Art gegenwärtiger (auch internationaler) sozialwissenschaftlicher Forschungen zum Lebensende gelegt werden. Welche Debatten wirken prägend? Inwiefern werden sie in Forschungspraxis übertragen? Welche neueren Erkenntnisse sind geeignet, Impulse zur Weiterentwicklung der Disziplin zu vermitteln?
(2) Die Offenlegung der Relevanzen und Herausforderungen der Thanatosoziologie. Für die vergangenen Jahre lassen sich Umbrüche und nähere Ausdifferenzierungen innerhalb der Thanatosoziologie verzeichnen. Noch vor weniger als einer Dekade wurden Krieg und Genozide, Sterbearmut, aktive Sterbehilfe und die Privatisierung und Professionalisierung der Sterbe- und Todesarbeit als gesellschaftsrelevante Arbeitsfelder benannt. Mittlerweile wird diese Reihe an Problemfeldern durch Studien zur Digitalisierung, zur Sepulkralkultur und zu institutionellen Herausforderungen fortgeführt. Welche gesellschaftsrelevanten Forschungsfelder tun sich hier auf? Welche methodischen Herausforderungen gehen damit einher?
(3) Die Frage nach der theoretischen Relevanz der thanatosoziologischen Forschung. Hier ist das produktive Verhältnis der Thanatosoziologie zur Allgemeinen Soziologie sowie zu anderen Sparten wie der Medizin-, Kultur-, Körper-, Religions- und der bereits erwähnten Wissenssoziologie auszuloten. Die Thanatosoziologie adaptiert nicht lediglich Konzepte aus vorhandenen Theorieangeboten und wendet diese auf ihre Untersuchungsgegenstände an. Vielmehr generiert sie einen Mehrwert sowohl für andere Subdisziplinen wie auch für die soziologische Theoriebildung. Welche konkreten Formen der Inspiration und wechselseitigen Vitalisierung lassen sich an dieser Schnittstelle abbilden?
Zum Tagungsbericht.
PROGRAMM:
Donnerstag, 24. März 2022
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13:00 Uhr Eröffnung/Begrüßung durch den Arbeitskreis Thanatologie
13:15 Uhr Keynote – Hubert Knoblauch: Vom Nahtod zur Thanatologie
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PANEL 1: Sterben I Moderation: Ursula Engelfried-Rave
13:50 Uhr Clemens Albrecht und Niklas Barth: Wissen und Dissimulation. Ideale und Strategien in der Kommunikation
mit Sterbenden
14:20 Uhr Anna Bauer: Ausgedehnte Gegenwarten. Zur thanatosoziologischen Relevanz der gesellschaftstheoretischen
Diagnose einer Gesellschaft der Gegenwarten
14:50 Uhr Pause
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PANEL 2: Sterben II Moderation: Michaela Thönnes
15:05 Uhr Daniel Schönefeld: Sterben als interaktive Herstellung. Forschungsansätze
und Theoretisierungspotentiale konversationsanalytischer Studien in der Thanatosoziologie
15:35 Uhr Lilian Coates: Professionelle Sterbeexpertise und die Orientierung am ›wissenden‹ Körper. Irritationspotenziale
am Beispiel der künstlichen Ernährung im stationären Hospiz
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PANEL 3: Sterben III Moderation: Melanie Pierburg
16:05 Uhr Stephanie Stadelbacher: Was das Sterben zuhause über den Wandel des Privaten verrät
16:35 Uhr Matthias Hoffmann: Sterben. Das moderne Individuum und die Angst vor der Zerstörung seines
zivilisatorischen Niveaus
17:05 Uhr Pause
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PANEL 4: Recht und Theorie Moderation: Ursula Engelfried-Rave
17:20 Uhr Leonie Schmickler: Die Rechtsverhältnisse der Sterbehilfe. Probleme und Perspektiven
17:50 Uhr Thorsten Benkel: Zur Epistemologie thanatologischer Sozialforschung
18:20 Uhr Abschluss Tag 1
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Freitag, 25. März 2022
09:00 Uhr Begrüßung Tag 2
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PANEL 5: Kindheit und Lebensende Moderation: Michaela Thönnes
09:00 Uhr Miriam Sitter: Zur Relevanz der Thanatosoziologie für die Soziologie der Kindheit und vice versa
09:30 Uhr Stephanie Winter: Zwischenleiblichkeit und Kindertrauer. Wie Kinder den Tod eines nahestehenden Menschen
spüren
10:00 Uhr Debora Niermann: Childing and Adulting in Dying. Wie Krankheits- und Sterbewissen Generationenverhältnisse
(nicht) konterkariert
10:30 Uhr Pause
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PANEL 6: Bilder vom Tod Moderation: Melanie Pierburg
10:45 Uhr Patrick Budenz: Orte des Sterbens. Fotografische Annäherungen
11:15 Uhr Matthias Meitzler: Darf ich das zeigen? Die Leiche als visuelle Herausforderung
11:45 Uhr Ekkehard Coenen: Die Mediatisierung des Tötens. Gewalt und Tod in Online-Video-Communitys
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12:15 Uhr Abschlussvortrag – Tony Walter: Social Change, Loss, Planet Earth
12:45 Uhr Abschluss